«Rechts von der CDU/CSU darf es keine demokratisch legitimierte Partei geben»: Die Christlichsozialen und ihr Umgang mit der rechten Konkurrenz

Mit der AfD hat sich auch in Bayern eine Partei rechts der CSU etabliert. Bei der Landtagswahl am Sonntag dürfte sie sogar noch zulegen. Doch schon vorher wurden die Christlichsozialen immer wieder von rechts herausgefordert.

Oliver Maksan, München 6 min
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Als Kanzlerkandidat der Union besucht Franz Josef Strauss 1980 die Niederrheinhalle in Wesel.

Als Kanzlerkandidat der Union besucht Franz Josef Strauss 1980 die Niederrheinhalle in Wesel.

Horst Schnase / imago

Die CSU ist alarmiert. Auf besorgniserregende 55,8 Prozent der Stimmen sind die Christlichsozialen bei der Wahl für den Bayerischen Landtag 1986 abgesackt. Die rechten Republikaner haben den Sprung ins Münchner Maximilianeum zwar verpasst. Aber mit Blick auf ihr Wahlergebnis von drei Prozent will sich der Parteichef Franz Josef Strauss nicht beruhigen.

Ein paar Prozentpunkte mehr, und sie hätten es auf Kosten der CSU über die Fünf-Prozent-Hürde geschafft. Wer weiss, ob dadurch über kurz oder lang nicht sogar die absolute Mehrheit der CSU in Gefahr gerät. Dass sich die Schwesterpartei CDU im Bundestagswahlkampf 1987 zur Mitte hin orientiert, erregt vor diesem Hintergrund den besonderen Unmut des bayrischen Ministerpräsidenten.

Aufstieg und Niedergang der CSU

Ergebnisse bei Landtagswahlen in Bayern seit 1946 in Prozent

«Rechts von der CDU/CSU darf es keine demokratisch legitimierte Partei geben», meint Strauss im August 1987 deshalb energisch warnend. Ein gutes Jahr später ist er tot. Der strategische Rat an die Unionsparteien wird ihn aber überdauern. Kritiker der Linksverschiebung der CDU unter Angela Merkel führen den Satz noch immer an, um zu belegen, wie recht Strauss hatte. Doch auch die heutige CSU wird immer wieder mit vorwurfsvollem Ton an den Satz erinnert.

Heute sitzt mit der AfD schliesslich eine klar rechts von der Union positionierte Partei nicht nur im Deutschen Bundestag und in den meisten Länderparlamenten, sondern seit 2018 auch im Bayerischen Landtag.

Der Potsdamer Historiker Frank Bösch hat zur Geschichte der Unionsparteien geforscht. Er hält das Aufkommen rechter Partei für eine Begleiterscheinung unionsgeführter Regierungen. «Die Geschichte zeigt, dass es immer wieder rechts von der Union erfolgreiche Parteien gab, wenn die CDU/CSU regierte.» Denn regieren heisse, Kompromisse einzugehen. In der Opposition könne man die Wähler am rechten Rand mit scharfen Reden leichter integrieren.

Neu ist aus Sicht von Bösch, dass sich mit der AfD nun anscheinend dauerhaft eine Rechtspartei erfolgreich etabliert hat. In Wellen auftretend, hätten diese sonst nach etwa zehn Jahren ihren Zenit überschritten. Das war bei den Republikanern tatsächlich so.

Sich abgrenzen? Ignorieren? Koalieren?

Schaut man auf den Kontext von Strauss’ Äusserungen, erinnert er sehr an den gegenwärtigen Richtungsstreit in der Union über den richtigen Umgang mit Parteien rechts von ihr. Soll man die Zusammenarbeit suchen? Sich abgrenzen? Ihre Themen besetzen? In ihrer Geschichte hat die CSU auf alle Strategien gesetzt, nur ignoriert hat sie die rechte Konkurrenz nie.

«Strauss wollte vor der Bundestagswahl 1987 einen Kurswechsel einleiten», sagt Bösch. Dass keine Rechtsparteien jenseits der CDU/CSU entstehen sollten, sei wenig strittig gewesen, auch nicht in der CDU. «Es war auch kein neuer Gedanke, sondern seit der Auseinandersetzung mit den NPD-Erfolgen in den 1960er Jahren etabliert.»

Kontrovers seien nur die Konsequenzen gewesen. Strauss plädierte im Wahlkampf 1987 mit seinem Satz dafür, die Konservativen, die Vertriebenen und die Landbewohner als Stammwähler der Union stärker zu adressieren, weniger die liberale Mitte. «Das sahen in der Union viele anders», sagt der Historiker Bösch.

Schliesslich forderte der SPD-Mann Johannes Rau Helmut Kohl als Kanzler heraus und hatten die Grünen nach dem Atomunglück von Tschernobyl Zulauf. «Ein Rechtskurs war da wenig opportun.» Schon zuvor hatte sich die CDU unter Kohl inhaltlich zur Mitte hin orientiert. Familienministerin Rita Süssmuth oder Generalsekretär Heiner Geissler waren die Gesichter des liberalen Parteiflügels. Strauss fürchtete, dass das Ausgreifen der grossen Schwester nach links der Glaubwürdigkeit der CSU bei Wählern auf der demokratischen Rechten schaden könnte.

Dabei war Strauss gewissermassen der Geburtshelfer der Republikaner. Die aus der CSU ausgetretenen Bundestagsabgeordneten Franz Handlos und Ekkehard Voigt gründeten die Partei 1983 aus Protest gegen den Milliardenkredit an die moribunde DDR. Den hatte ausgerechnet der Antikommunist Strauss vermittelt. Das konnten auch Parteifreunde nicht verstehen. Mit nur 77 Prozent wurde Strauss 1983 als CSU-Chef wiedergewählt.

Die Republikaner geraten ins Visier des Verfassungsschutzes

Ihr eigentliches Thema finden die Republikaner, die unter dem Ex-Sozialdemokraten Franz Schönhuber immer weiter nach rechts rücken, aber im Zuge der steigenden Arbeitslosigkeit mit der Ausländerthematik. «Dies griff die CSU unter Strauss in den 1980er Jahren intensiv auf und forderte eine Begrenzung von Asyl und Zuzug. CDU/CSU setzten dabei auf Abgrenzung zu den Republikanern statt auf Koalitionen», sagt Bösch.

Doch die Republikaner bleiben für die CSU eine Herausforderung. Bei der Europawahl 1989 stimmen in Bayern 14,6 Prozent der Wähler für sie. Und bei der Landtagswahl 1990 wäre ihnen mit einem Ergebnis von 4,9 Prozent fast der Einzug in den Bayerischen Landtag geglückt. Danach wurden sie der CSU in Bayern aber nie wieder gefährlich. Dass die Republikaner ab 1992 (bis 2006) durch den Verfassungsschutz überwacht wurden, wurde von der CSU im Wahlkampf erfolgreich thematisiert. 1994 erreichten die Republikaner in Bayern nur noch 3,9 Prozent.

Auf harte Abgrenzung hatte die CSU zwanzig Jahre zuvor schon bei der Nationaldemokratischen Partei gesetzt. Der 1964 gegründeten NPD stand mit dem Bremer Fabrikanten Friedrich Thielen auf Bundesebene ein ehemaliger CDU-Politiker vor. In Bayern schaffte die Partei 1966 auf Anhieb mit 7,4 Prozent den Sprung in den Landtag. «Krisenanzeichen im Wirtschaftswunderland trieben ihr die Wähler besonders in den strukturschwachen Zonenrandgebieten im Osten Bayerns zu», sagt der Historiker Thomas Schlemmer vom Münchner Institut für Zeitgeschichte. In einigen Landkreisen nahe der Grenze zur DDR und zur Tschechoslowakei habe die Arbeitslosigkeit zweistellige Werte erreicht.

«Die CSU setzte in der Zeit auf strikte Marginalisierung der NPD. Also im Grunde das, was man heute mit Blick auf die AfD als Brandmauer bezeichnet», sagt Schlemmer. Ohnehin habe die mit absoluter Mehrheit regierende CSU keinen Koalitionspartner gebraucht. Der NPD fehlte also jegliche Gestaltungsmöglichkeit. Interner Streit kam hinzu. 1970 verschwand sie dann mit 2,9 Prozent wieder aus dem Landtag.

Kooperativer war man hingegen mit der national-konservativen Deutschen Partei umgegangen. Mit ihr koalierten CDU und CSU auf Bundesebene von 1949 bis 1961. Für die in Bayern verwurzelte CSU war die protestantisch geprägte Deutsche Partei mit ihrem regionalen Schwerpunkt in Niedersachsen allerdings nie eine direkte Konkurrenz.

Das sah anders aus mit der konservativen Bayernpartei. Kanzler Adenauer hätte die katholisch-föderalistische Partei 1949 gerne in sein erstes Kabinett berufen. Das wusste die CSU aber zu verhindern, die früh Kurs auf das Ziel nahm, als einzige Anwältin bayrischer Interessen im Bund zu erscheinen. «Die wollten sich keine Laus in den Pelz setzen lassen», sagt der Historiker Schlemmer. Mit Erfolg.

1953 verpasste die Partei den Wiedereinzug in den Bundestag. 1962 zog sie das letzte Mal in den Bayerischen Landtag ein. Die folgende Koalition mit der CSU bekam ihr nicht. Der Sogwirkung der aufstrebenden Christlichsozialen war sie nicht mehr gewachsen. Heute spielt die Bayernpartei landespolitisch keine Rolle mehr.

Von der Umarmungsstrategie der Union in die Enge getrieben

Ähnlich marginal wurde bald auch der Bund der Heimatvertriebenen und Entrechteten (BHE) / Gesamtdeutscher Block. Dieser verstand sich als Anwalt der Millionen aus den Ostgebieten vertriebenen Deutschen – und auch ehemaliger Nationalsozialisten, die sich durch die alliierte Entnazifizierung ungerecht behandelt fühlten. Ihr Chef Theodor Oberländer hatte am Hitler-Putsch 1923 teilgenommen und war höherer SA-Führer gewesen.

Kanzler Konrad Adenauer berief Oberländer 1953 dennoch zum Vertriebenenminister in sein zweites Kabinett. 1960 musste er allerdings wegen wachsender Kritik an seiner NS-Vergangenheit zurücktreten. Da waren er und ein weiterer Bundesminister des BHE längst zur CDU gewechselt. In Bayern selbst standen sich BHE und CSU als Partner wie als Konkurrenten gegenüber. Von 1950 bis 1962 gehörte die Partei allen Landesregierungen an – seien es SPD-geführte, seien es CSU-geführte.

Von der Umarmungsstrategie der Union in die Enge getrieben, fusionierten Deutsche Partei und BHE schliesslich 1961 zur Gesamtdeutschen Partei. Aber sowohl in Bayern wie im Bund spielten sie fortan keine Rolle mehr. Die CSU hingegen errang bei der Landtagswahl 1962 zunächst die absolute Mehrheit der Mandate, bald dann auch die der Stimmen.

Im Gespräch mit dem «Spiegel» bezeichnete Strauss 1986 «das Fehlen einer echten, für Bayern geeigneten Alternative» als eine der Ursachen für den Erfolg der CSU. Glaubt man den gegenwärtigen Umfragen, sehen 14 Prozent der bayrischen Wähler das mittlerweile anders und geben der AfD den Vorzug vor der CSU.

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